Verfahrensverzögerung beim Bundesgerichtshof führt zur Haftentlassung

Der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen gilt für alle Instanzen eines Strafverfahrens. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Beschleunigungsgebot Rechnung zu tragen. Wegen Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes durch den BGH ordnete das OLG Frankfurt im vorliegenden Fall die Haftentlassung an.

Der Beschleunigungsgrundsatz im Strafverfahren ist als selbstständiges Rechtsinstitut anerkannt. Er leitet sich aus der allgemeinen gerichtlichen Fürsorgepflicht, aus der Menschenrechtskonvention (Art 6 MRK) und auch aus dem Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 GG) ab.
Er verpflichtet alle Organe der Strafrechtspflege dazu, das Strafverfahren, insbesondere in Haftsachen, mit der nötigen Beschleunigung durchzuführen. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen daher regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen.
Verstöße gegen den Beschleunigungsgrundsatz führen daher zur Aufhebung des Untersuchungshaftbefehls.
Im vorliegenden Verfahren hat das OLG Frankfurt festgestellt, dass im Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof eine Verfahrensverzögerung von ca. drei Monaten dadurch eingetreten war, dass die Akte intern nicht rechtzeitig im Rahmen der Zuständigkeiten an den zuständigen Berichterstatter beim Bundesgerichtshof weitergeleitet wurde. Während des Revisionsverfahrens saß der Beschuldigten nach wie vor in Untersuchungshaft.
Nach Feststellungen des OLG Frankfurts gab es keinen stichhaltigen Grund dafür, warum die Akte vom Vorsitzenden des 2. Strafsenats erst drei Monate nach Eingang an den zuständigen Berichterstatter weitergeleitet wurde. Der Vorsitzende des zweiten Strafsenats gab auf Nachfrage an, die Verzögerung „beruhe auf der allgemeinen Geschäftslage des Senats mit einer hohen Rückstandszahl, weit überdurchschnittlich zahlreichen Hauptverhandlungen und einer Reihe von schwierigen und umfangreichen Verfahren“, (Beschluss des OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 03.02.2016, 1 Ws 186/15.)
Es ist allgemein anerkannt, dass generelle Überlastung bei den zuständigen Strafrechtsorganen niemals zu Lasten des inhaftierten Beschuldigten gehen darf. Strukturelle oder organisatorische Mängel der Behörden rechtfertigen die Fortdauer von Untersuchungshaft nicht. In solchen Fällen ist die Aufhebung des Haftbefehls eigentlich von Amts wegen zu veranlassen. Regelmäßig erfolgt dies jedoch erst nach Haftbeschwerde durch den jeweiligen Strafverteidiger. An dem vorliegenden Fall außergewöhnlich ist der Umstand, dass die Verfahrensverzögerung beim Bundesgerichtshof eingetreten ist, da gerade die Obergerichte die Einhaltung verfahrensrechtlicher Grundsätze überwachen und gegebenenfalls korrigieren sollen.