Wirksame Selbstanzeige nach neuester Rechtsprechung

Unter dem Stichwort Steuersünderkartei im Zusammenhang mit Schwarzgeld in der Schweiz oder Lichtenstein findet das Institut der strafbefreienden Selbstanzeige  aktuell große Beachtung.
Eine Selbstanzeige gemäß § 371 AO (Abgabenordnung) ist die Möglichkeit für den Täter einer Steuerhinterziehung sich Straffreiheit zu verschaffen. Das Gesetz schafft dem Fiskus die Option, unentdeckt gebliebene Steuerquellen zu vereinnahmen und baut daher dem Steuersünder eine goldene Brücke zur Straffreiheit. In diesen Genuss kommt der Steuersünder jedoch nur

, wenn seine Selbstanzeige auch sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, denn andernfalls läuft er Gefahr, den Finanz- und Ermittlungsbehörden einen Sachverhalt aus freien Stücken preiszugeben und zusätzlich noch für die Steuerhinterziehung bestraft zu werden. Von daher ist eine qualifizierte Beratung durch einen Rechtsanwalt unumgänglich. Dieser Beratungsbedarf wird durch eine Entscheidung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20.05.2010 noch verstärkt. Darin hat der BGH die Voraussetzungen einer wirksamen Selbstanzeige verschärft und die Hürden zur Straflosigkeit erhöht.
Die Selbstanzeige kann formlos erfolgen und braucht auch als solche nicht gekennzeichnet zu sein. Sie kann nur gegenüber den in § 6 Abs. 2 AO benannten Finanzbehörden abgegeben werden. Wird sie gegenüber einer unzuständigen Behörde erklärt, kann sie zwar im Wege der Amtshilfe an das zuständige Amt weitergeleitet werden. Dennoch besteht die Gefahr, dass bis zum Eingang bei der zuständigen Behörde Gründe eintreten, die eine Selbstanzeige ausschließen.
 Inhaltlich muss der Anzeigenerstatter eine Tätigkeit entfalten, die auf eine Berichtigung unrichtiger Angaben oder auf Ergänzung unvollständiger Angaben oder auf Nachholung pflichtwidrig unterlassener Angaben zielt. Das Finanzamt soll nach Rechtsprechung des BGH dadurch in die Lage versetzt werden, den Sachverhalt ohne die weitere gutwillige Mithilfe des Anzeigenden aufzuklären. Es gibt eine Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen darüber, was noch als inhaltlich ausreichend für eine strafbefreiende Selbstanzeige anzusehen ist und was nicht. Die inhaltliche Vollständigkeit ist deshalb von herausragender Bedeutung, weil andernfalls – durch die Angaben des Anzeigenden – die Tat als entdeckt gilt und eine Strafbefreiung nicht mehr eintreten kann.
In dem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die  bisher zulässige Teilselbstanzeige seit der oben erwähnten Entscheidung des BGH der Vergangenheit angehört. Der BGH fordert die vollständige Rückkehr zur Steuerehrlichkeit und spricht blumig vom „reinen Tisch machen“. Nicht mehr möglich ist also, dass der Selbstanzeiger (warum auch immer) nur einen Teil der bis dato nicht deklarierten Besteuerungsgrundlagen nacherklärt und insoweit teilweise Straffreiheit erlangt.
In Bankenfällen mit Auslandsbezug oder in Erbschaftsfällen steht der potenzielle Selbstanzeiger häufig vor dem Problem, dass er die nachzuerklärenden Besteuerungsgrundlagen selbst noch recherchieren muss. In der Vergangenheit wurde es dann in einer Art Stufenselbstanzeige für zulässig angesehen, dass der Selbstanzeiger die Besteuerungsgrundlagen kurzfristig nachreicht. Auch hier sagt der BGH nun, dass dies für eine wirksame Nacherklärung nicht ausreicht. Erforderlich ist, dass zum Zeitpunkt der Anzeige alle erforderlichen Angaben erklärt werden müssen. Der Anzeigenerstatter muss also die Besteuerungsgrundlage schätzen und zwar überhöht, um auf der sicheren Seite zu sein.
 Von besonderer Bedeutung sind die gesetzlich normierten Ausschlussgründe. Gemäß § 371 Abs. 2 AO tritt Straffreiheit nicht ein, wenn vor der Berichtigung ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat erschienen ist oder dem Täter die Einleitung des Strafverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Straffreiheit ist auch ausgeschlossen, wenn die Tat bereits im Zeitpunkt der Selbstanzeige ganz oder zum Teil entdeckt war und der Täter dies wusste oder damit rechnen musste.
Nach der Auffassung des BGH gilt die Tat spätestens dann als entdeckt, wenn die erlangten Information im Abgleich mit den Steuererklärungen des Betroffenen ergeben, dass die Steuerquelle nicht oder nicht vollständig angegeben wurde. Als günstige Konsequenz für den Bürger bedeutet dies, dass die bloße Registrierung auf einer Daten-CD nicht zwangsläufig als Entdeckung zu werten ist, da noch kein Abgleich erfolgt sein kann. In diesen Fällen ist die Selbstanzeige also nicht per se ausgeschlossen.
 Sind alle Voraussetzungen beachtet, so ist der Eintritt von Straffreiheit noch davon abhängig, dass die erlangten Steuervorteile in einer angemessenen Frist nachentrichtet werden. Die Frist, die von der sachlich zuständigen Finanzbehörde gesetzt wird, ist angemessen zu bemessen und muss auf die persönlichen Verhältnisse des Steuerschuldners Rücksicht nehmen.  Eine teilweise Nachentrichtung reicht nicht aus. Der BGH knüpft die Straffreiheit nun den vollständigen Schadensausgleich.