Kein dinglicher Arrest bei Steuerhinterziehung

Das Oberlandesgericht Köln hat mit einem jetzt veröffentlichten Beschluss vom 06.01.2010, 2 Ws 636/09, bestätigt, dass die bloße Begehung einer Steuerhinterziehung nicht ausreicht, um den dinglichen Arrest in das Vermögen des Beschuldigten anzuordnen.

In dem Verfahren hatte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung gegen den Beschuldigten wegen Einkommens- und Umsatzsteuerverkürzung in den Jahren 2003 bis 2007 ermittelt. Der Beschuldigte sollte als Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH in diesem Zeitraum durch unrichtige Umsatzsteuererklärungen Umsatzsteuer i.H.v. mindestens 32.000 € zu Gunsten der Gesellschaft und durch unrichtige Einkommenssteuererklärungen Einkommenssteuer i.H.v. mindestens 15.000 € zu seinen eigenen Gunsten verkürzt haben. Das Finanzamt hatte beantragt, den dinglichen Arrest in das Vermögen des Beschuldigten i.H.v48.000 € und in das Vermögen der Gesellschaft i.H.v. 32.000 € anzuordnen. Das Amtsgericht hat die Anträge abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Finanzamts wurde durch das Landgericht verworfen.

Das Finanzamt hatte daraufhin weitergehende Beschwerde beim Oberlandesgericht Köln eingereicht und den Standpunkt vertreten aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschuldigten sei davon auszugehen, dass dieser bei Kenntnis der Sach- und Rechtslage alles tun werde, um sein gegebenenfalls noch vorhandenes Vermögen dem Zugriff des Finanzamts zu entziehen. Der Arrestgrund liege allein schon aufgrund der Steuerhinterziehung als Vermögensdelikt vor, zumal die Tatbegehung auf eine Vermögensverbergungsabsicht schließen lasse.

Allgemein dient der Arrest der Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung. Häufigste Form ist der „dingliche Arrest“ (§ 917 ZPO), der angeordnet werden kann, wenn ohne dessen Verhängung die Vollstreckung eines im normalen Verfahren ergehenden Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Die Entscheidung lautet dann, dass wegen einer bestimmten (nach Grund und Höhe zu bezeichnenden) Geldforderung der dingliche Arrest in das Vermögen des Antragsgegners angeordnet wird. Der erlassene dingliche Arrest ist Vollstreckungstitel und erlaubt die Zwangsvollstreckung durch Pfändung von beweglichem Vermögen oder Eintragung einer Sicherungshypothek bei Grundstücken, allerdings nur zum Zwecke der Sicherung, während eine Verwertung gepfändeter Gegenstände aufgrund des Arrests ausgeschlossen ist.

Das Finanzamt verfolgte somit den Zweck, durch Anordnung des Arrestes die Vollstreckung in die ausstehenden Steuerschulden sicherzustellen.

Das hat das Oberlandesgericht Köln endgültig abgelehnt und die vorigen Entscheidungen der Untergerichte bestätigt.
Die Frage, ob allein eine gegen fremdes Vermögen gerichtete Straftat ausreicht, um einen Arrestgrund (= Besorgnis, dass ohne Anordnung des Arrestes die spätere Vollstreckung vereitelt oder wesentlich erschwert würde) anzunehmen, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich behandelt.  Das Oberlandesgericht Frankfurt und das Oberlandesgericht Stuttgart haben dies bspw. kürzlich noch angenommen.

Das Oberlandesgericht Köln bevorzugt eine differenzierte Betrachtung:
Es widerspricht der vom Finanzamt angeführten Erwägung, allein der Steuerhinterziehungsverdacht lasse auf die Absicht des Beschuldigten schließen, alles zu tun, um das gegebenenfalls noch in seinem Besitz vorhandene Vermögen dem Zugriff des Finanzamts zu entziehen, denn mit dieser Argumentation ließe sich ein Arrestgrund in nahezu allen Fällen von Steuerhinterziehung begründen. Eine solche Betrachtung würde aber der wirtschaftlich nicht selten existenzbedrohenden Belastung des Schuldners durch die Anordnung des dinglichen Arrests nicht gerecht.

Etwas anderes könne allerdings gelten, wenn etwa besondere Umstände der Tatbegehung oder die gesamte Lebensführung des Beschuldigten darauf ausgerichtet sind, durch manipulatives und betrügerisches Verhalten sein Vermögen zu verschleiern oder zu verschieben. Für eine solche Annahme hätte aber vorliegend das Ermittlungsergebnis nicht ausgereicht. Das dem Beschuldigten vorgeworfene Verhalten gehe nicht über die Tatbestandsverwirklichung hinaus. Das gelte auch für die vom Finanzamt beschriebenen Kassenmanipulationen. Dass Einkünfte nicht ordnungsgemäß verbucht werden, sei für die Umsatzsteuerverkürzung gerade typisch.

Ob besondere Umstände vorliegen, bedarf somit immer einer Einzelfallprüfung. Ein Arrest anordnender Beschluss, der diese Erwägungen vermissen lässt, bietet für einen Anwalt gute Ansatzpunkte, im Wege des Widerspruchs zu Fall gebracht zu werden.