Hoffen auf einen satten Richter

Einen bemerkenswerten Zusammenhang zwischen Hunger und ablehnenden richterlichen Beschlüssen haben jüngst Wissenschaftler nachgewiesen, worüber in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences berichtet wurde.

 

Die ahnungslosen Testpersonen waren 8 Richter in Israel, deren Aufgabe darin bestand, über mehrere Tage hinweg Bewährungsentscheidungen zu treffen. Strafgefangene haben auch nach israelischem Recht das Recht auf vorzeitige Entlassung unter bestimmten Voraussetzungen. Das Ergebnis der Untersuchung ist uneingeschränkt auf deutsche Rechtsanwendung übertragbar.

Die 8 Probanden nahmen pro Arbeitstag 3 Mahlzeiten zu sich, jeweils morgens, mittags und nachmittags. Die Standardentscheidung ist die Ablehnung des Antrags, das überrascht zunächst überhaupt nicht.

Überraschend ist der Zeitpunkt, an welchem positive, also die Entlassung befürwortende Entscheidungen, getroffen wurden. Die Tester werteten den Prozentsatz an befürwortenden Beschlüssen aus, die seit der letzten Mahlzeit ergangen waren und setzten diese in Verhältnis zur vergangen Zeit seit der letzten Pause. Die höchste Zahl an Entlassungen (65 Prozent) wurde unmittelbar nach der Mahlzeit verzeichnet. Unmittelbar danach setzt die Sinkkurve an, die positiven Entscheidungen nahmen stetig ab und tendierten unmittelbar vor der nächsten Pause auf fast null!

Wissenschaftlich zu erklären ist dies mit einer Glucose-Erschöpfung, die zu einer geringeren Einsatzbereitschaft kognitiver Fähigkeiten führt. Einzelheiten darüber interessieren aber an dieser Stelle nicht.

Die Untersuchung zeigt und bestätigt vielmehr ein Dilemma, um welches erfahrene Strafverteidiger wissen und immer versuchen zu berücksichtigen: in Entscheidungsprozesse fließen viele Faktoren ein, die mit der eigentlichen Schuldfrage nichts zu tun haben. Auch Richter sind Menschen, die sich von biologischen, psychologischen oder anderweitigen Umständen beeinflussen lassen. Das eigentlich Bedenkliche ist, dass viele sich dessen nicht bewusst sind. Richter würden in der Regel solche Auswirkungen reflexartig von sich weisen, weil sie sie als Kritik an ihrer vermeintlichen Unabhängigkeit, juristischen Fähigkeiten oder Professionalität verstehen würden.

Der erfahrene Strafverteidiger muss also -abhängig vom konkreten Anlass- solchen Einflüssen subtil entgegenwirken.