Arztstrafrecht: Die Strafbarkeit eines Substitutionsarztes gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 6 BtMG

Durch  Urteil des 3. Strafsenats hat sich der Bundesgerichtshof mit der möglichen Strafbarkeit von Substitutionsärzten nach § 29 Abs. 1 Nr. 6 BtMG beschäftigt. Diese können sich strafbar machen, wenn Sie Betäubungsmittel ohne Indikationsstellung und ohne Prüfung von Behandlungsalternativen verschreiben (BGH, Urt. v 02.02.2012 – 3 StR 321/11)

Seit dem Grundsatzurteil vom 04.06.2008 des Bundesgerichtshof ist es gefestigte Rechtsprechung, dass sich ein in der Substitutionsbehandlung Drogenabhängiger tätiger Arzt nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG strafbar machen kann, wenn er Betäubungsmittel der in Anlage III zum Betäubungsmittelgesetz bezeichneten Art außerhalb des Anwendungsberichts der §§ 13 BtMG, 5 BtMVV an Patienten verschreibt oder abgibt.

Nach § 13 Abs. 1 BtMG dürfen die in Anlage III zum Betäubungsmittelgesetz bezeichneten Betäubungsmittel von Ärzten nur dann verschrieben werden, wenn ihre Anwendung am oder im menschlichen Körper begründet ist. Eine Verschreibung von Betäubungsmitteln ohne Indikationsstellung und ohne Prüfung von Behandlungsalternativen ist unbegründet und nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a BtMG strafbar weil sie nicht gewährleistet, dass gegebenenfalls andere und damit vorrangige Behandlungsmethoden zur Anwendung kommen.
Gleiches gilt, wenn der Substitutionsbehandlung eine unzureichende ärztliche Kontrolle zugrunde liegt, wobei § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BtMVV der Umfang der erforderlichen ärztlichen Begleitung und damit die innerhalb der § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Buchst. a, § 13 BtMG verbindliche Richtschnur der sorgfältigen Substitutionsbehandlung zu entnehmen ist.
Dem Substitionsarzt muss demnach nachgewiesen werden, dass er die in § 5 Abs. 2 Satz 1 BtMVV aufgezählten sonstigen rechtlichen Voraussetzungen einer zulässigen Verschreibung zu Substitutionszwecken missachtet hat.
Dabei kommt der Frage der Eingangs- und fortlaufender Kontrolluntersuchungen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BtMVV) durch den Arzt und der Erstellung eines auf das Erreichen einer Betäubungsmittelabstinenz zielenden Behandlungskonzepts als Voraussetzungen einer betäubungsmittelrechtlich unbedenklichen Verschreibung von Substitutionsmitteln besondere Bedeutung zu. Dabei hat der Arzt regelmäßige Konsultationen des Abhängigen zu initiieren, um eine Verschreibung von Substitutionsmitteln in Einklang mit § 13 BtMG zu bringen.
Für die Strafbarkeit des Arztes ist also von Bedeutung, dass eine Substitutionsbehandlung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BtMG nur als ultima ratio zulässig ist.
Der das Substitutionsmittel entgegen § 13 BtMG verschreibende Arzt handelt vorsätzlich, wenn er zumindest billigend in Kauf nimmt, dass seine Verschreibung nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht und Verschreibungen von Betäubungsmitteln ohne Untersuchung oder ohne medizinische Indikation bzw. ohne ausreichende Kontrolle einen ärztlichen Kunstfehler darstellen. Andernfalls kommt möglicherweise lediglich eine Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit gemäß § 29 Abs. 4 BtMG in Betracht.

Als Anwalt für Arztstrafrecht in Köln vertritt Rechtsanwalt Klein unter anderem Ärzte in unterschiedlichsten Strafverfahren.