Keine Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen und Patientenakten des Mandanten beim Verteidiger

Die Ermittlungsbehörden dürfen keine Geschäftsunterlagen, hier Auszug aus einer Patientenakte, beschlagnahmen, die der Bürger zum Zwecke der Verteidigung seinem Rechtsanwalt übergeben hat. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden (BVerfG, Beschl. v. 06.11.2014 – 2 BvR 2928/10).

Im vorliegenden Fall hatte sich der Angeklagte, ein Arzt, vor Gericht gegen ein ihn belastendes Gutachten verteidigt, indem er seinen Verteidiger dem Gutachter entgegenstehende Geschäftsunterlagen und Patientenakten vorhalten ließ.
Daraufhin ordnete das verhandelnde Gericht die Beschlagnahme dieser Unterlagen und die Durchsuchung in den Kanzleiräumen des Rechtsanwalts an. Die Ermittlungsbehörden beschlagnahmten diverse Geschäftsunterlagen, die der angeklagte Arzt seinem Rechtsanwalt zum Zwecke der Verteidigung übergeben hat.  Das Bundesverfassungsgericht hat Durchsuchung und Beschlagnahme für rechtswidrig erklärt.

Durchsuchungen und Beschlagnahmen beim Verteidiger grundsätzlich unzulässig

Bereits die angeordnete Durchsuchung in den Kanzleiräumen verletzt sowohl den Verteidiger als auch den Angeklagten in seinen Grundrechten. Der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant liegt, so das Bundesverfassungsgericht, auch im Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen und geordneten Strafrechtspflege.
Nach § 160a Abs. 1 Satz StPO sind Ermittlungsmaßnahmen gegen einen Strafverteidiger als Unverdächtigen generell unzulässig, wenn voraussichtlich Erkenntnisse zu erwarten sind, die dem Schutz des Mandatsverhältnisses dienen, also der Schweigepflicht des Anwalts unterliegen. Dem Strafverteidiger steht ein Zeugnisverweigerungsrecht über alle Informationen zu, die ihm als Strafverteidiger anvertraut worden sind. Mit diesem Zeugnisverweigerungsrecht korrespondiert auch die Beschlagnahmefreiheit von entsprechenden Unterlagen.
Im vorliegenden Fall war daher bereits die Durchsuchung rechtswidrig. Denn es war von vorneherein klar, dass Unterlagen gesucht wurden, auf welche sich das Zeugnisverweigerungsrecht des Verteidigers erstreckt und dass diese Erkenntnisse von Gesetzes wegen auch nicht verwertet werden dürfen.

Besondere Markierung von Verteidigungsunterlagen nicht notwendig

Das Amtsgericht, welches die Durchsuchung angeordnet hatte, hatte den Standpunkt vertreten, dass die Geschäftsunterlagen des Arztes beim Verteidiger deshalb beschlagnahmt werden durften, weil sie nicht als Verteidigerunterlagen markiert waren. Auch diesen Standpunkt erklärt das Bundesverfassungsgericht für falsch. Es komme ausschließlich darauf an, ob ein Verteidigerbezug der  Unterlagen erkennbar sei. Dies sei bereits dadurch indiziert, dass die Geschäftsunterlagen beim Verteidiger aufgefunden wurden und einen Bezug zum Strafverfahren hatten.

Patientenakten dürfen nicht beschlagnahmt werden

Der Mandant muss sich also darauf verlassen können, dass das, was inhaltlich der Schweigepflicht des Verteidigers unterliegt, auch in Dokumentenform nicht beschlagnahmt werden kann. Für den angeklagten Arzt stellte, so das Bundesverfassungsgericht, die Beschlagnahme seiner Geschäftsunterlagen und Patientenakten einen Eingriff in den Grundsatz des fairen Verfahrens dar. Der Bürger hat nach rechtsstaatlichen Grundsätzen das Recht Unterlagen zu seiner Verteidigung in einem gegen ihn laufenden Strafverfahren etwa für seinen Rechtsanwalt für Strafrecht anzufertigen. Das entspricht dem Recht auf effektive Verteidigung. Solche Unterlagen dürfen nicht beschlagnahmt und gegen ihn verwendet werden.