Fehlerhafte Anklage, Einstellung wegen Verfahrenshindernis

Mit der Anklageschrift schließt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ab. Ist diese fehlerhaft, kann ein Verfahrenshindernis vorliegen. Die kritische Prüfung der Anklageschrift ist daher für Strafverteidiger ein wichtiges Verteidigungsinstrument. Auf gerichtliche Hilfe sollte der Verteidiger sich nicht verlassen, wie der Fall des Oberlandesgerichts Hamm zeigt.

Die Notwendigkeit der Überprüfung der Anklageschrift gemäß § 200 StPO haben leider noch nicht viele Juristen erkannt. Dies gilt für Rechtsanwälte, Staatsanwälte und auch Richter. Liegt ein Mangel in der Anklageschrift vor kann dies zu einem Verfahrenshindernis führen, mit der Folge, dass das Verfahren entweder durch Beschluss oder durch Urteil einzustellen ist. Insbesondere in Bereichen der Urheberrechtsverletzungen im Internet, Wirtschaftsstraf- und Sexualstrafverfahren, dort insbesondere beim Besitz illegaler Dateien, ist eine besondere Fehleranfälligkeit der Anklageschriften festzustellen.

Das Oberlandesgericht Hamm hat die Einstellung eines Verfahrens bestätigt, bei dem die Anklage, die das Vorenthalten von Arbeitsentgelt vorwarf, fehlerhaft war, weil sie die einzelnen Taten nicht konkret bezeichnete und somit gegen das Umgrenzungsgebot verstieß. Bemerkenswert ist, dass das Amtsgericht in der ersten Instanz bereits eine Verurteilung ausgesprochen hatte und die fehlerhafte Anklage weder dem Richter noch dem Rechtsanwalt des Angeklagten aufgefallen war. Erst das Landgericht stellte in der zweiten Instanz den Mangel fest. Das OLG Hamm führt im Konkreten aus:
„Bei dem Vorwurf des Veruntreuens von Arbeitsentgelt wird die Umgrenzungsfunktion der Anklage nur dadurch gewahrt, dass die einzelnen verfahrensgegenständlichen Taten, nämlich das jeweils einen konkreten Zeitraum betreffende Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen für bestimmte Personen an konkret benannte Sozialversicherungsträger trotz bestehender Pflicht, bezeichnet werden (OLG Celle, Beschluss vom 03. Juli 2013 – 1 Ws 123/13 –, juris; OLG Celle, Beschluss vom 19. Juli 2011 – 1 Ws 271-274/11 -, juris)“ (zit. aus OLG Hamm, Beschl. v. 18.08.2015 – 3 Ws 269/15).