AG Köln: Freispruch vom Vorwurf der sexuellen Belästigung

Das Amtsgericht Köln hat unseren Mandanten vom Vorwurf der sexuellen Belästigung gemäß § 184i StGB freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte in der Anklage unserem Mandanten vorgeworfen, seine Nachbarin in ihrer Wohnung im Laufe eines gemeinsamen Treffens sexuell belästigt und verletzt zu haben.

Die Zeugin offenbarte in ihrer gerichtlichen Vernehmung jedoch eklatante Erinnerungslücken. Zudem standen ihre vor Gericht getätigten Schilderungen in Widerspruch zu ihren Angaben gegenüber den Polizeibeamten vor Ort. Gleichwohl sah die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe als erwiesen an und beantragte, unseren Mandanten zu einer Geldstrafe zu verurteilen. In unserem Plädoyer führten wir die Umstände an, die gegen strafbares Verhalten unseres Mandanten sprachen. Das Gericht schloss sich unserer Argumentation an und sprach unseren Mandanten frei. Das Urteil ist rechtskräftig (AG Köln, Az.: 522 Ds 80/21)

Was versteht man unter sexueller Belästigung?

Der Tatbestand der sexuellen Belästigung gemäß § 184i StGB wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der sexuellen Selbstbestimmung im November 2016 eingeführt. Der Gesetzgeber möchte damit das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung vor Handlungen schützen, die noch keine sexuellen Handlungen im Sinne der sexualstrafrechtlichen Normen sind, weil sie ein bestimmte Erheblichkeitsschwelle nicht überschreiten, aber dennoch als sexuell belästigend empfunden werden. Nach der Rechtsprechung können dies bspw. sein, ein flüchtiger Griff an die Genitalien einer bekleideten Person, ein Berühren im Vaginalbereich über der Kleidung, das Küssen des Nackens, der Haare und des Kopfes des von hinten umfassten Opfers oder das feste Drücken der behandschuhten Hand des Opfers auf das Geschlechtsteil des Täters.

Die Tathandlung ist ein sog. „Hands-On-Delikt“, das heißt, dass es eine körperliche Berührung geben muss.

Der Täter muss in sexuell bestimmter Art und Weise handeln. Ob eine solche Motivation vorliegt, bestimmt die Rechtsprechung durch Auslegung der konkreten Tatumstände und -Einzelheiten.

Dabei dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sowohl subjektive als auch objektive Kriterien herangezogen werden. Vereinfacht zusammengefasst lässt sich festhalten, dass Griffe oder Berührungen an Geschlechtsmerkmale stets sexuell bestimmt sind, auch wenn der Täter eher beleidigen wollte.

Das Opfer muss die Berührung als sexuelle Belästigung wahrnehmen. Das bedeutet, dass die Erfüllung des Tatbestandes der sexuellen Belästigung gemäß § 184i StGB vom Individualempfinden des Opfers abhängt.

Verteidigungsoptionen beim Vorsatz

Der Täter muss weiter vorsätzlich handeln, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) ausreicht. Der Vorsatz muss sich auch auf das Empfinden des Opfers beziehen. Der Täter muss also es zumindest billigend in Kauf nehmen, dass seine Handlung als sexuelle Belästigung empfunden werden könnte. In Fällen einer „Annäherung“, der ein gegenseitiges Flirten vorausgegangen ist, dürfte ein solcher Vorsatz schwer nachzuweisen sein. Nach unserer Auffassung muss es auch zur Straflosigkeit führen, wenn der Täter irrigerweise von einem gegenseitigen Flirten ausging. Ein solcher Sachverhalt ist in der Praxis häufig Anlass für Strafanzeigen wegen sexueller Belästigung gemäß § 184i StGB und führt mit entsprechender Verteidigung häufig zur Einstellung des Verfahrens oder zum gerichtlichen Freispruch.

Welche Strafe droht beim Vorwurf der sexuellen Belästigung?

Der Regelfall der sexuellen Belästigung sieht gemäß § 184i Abs. 1 StGB Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor. Ein besonders schwerer Fall wird gemäß § 184i Abs. 2 StGB mit Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis 5 Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall soll u. a. dann vorliegen, wenn die Tat von mehreren begangen wird.

Welche Strafe droht Ersttätern beim Vorwurf der sexuellen Belästigung?

Bei der Frage, welche Strafe jemandem droht, der eine Anzeige wegen sexueller Belästigung erhalten hat, der aber zuvor niemals strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, ist zunächst klarzustellen, dass jeder strafrechtliche Fall einzigartig ist und daher grundsätzlich keine pauschalen Prognosen zum Ausgang eines solchen Verfahrens getroffen werden können ohne Details zu kennen.

Pauschal richtig ist es jedoch herauszustellen, dass sich für jeden Ersttäter immer die Frage stellt, ob eine Verurteilung einen Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis nach sich zieht. Dies bezieht sich regelmäßig auf Vorwürfe, die mit Geldstrafe zu ahnden sind. Gemäß § 32 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) werden in das polizeiliche Führungszeugnis nur Verurteilungen von Ersttätern aufgenommen, die die Grenze von 90 Tagessätzen (oder 3 monatiger Freiheitsstrafe) überschreiten. Diese Grenze haben Gerichte immer im Blick.

Im Fall des Vorwurfs der sexuellen Belästigung gemäß § 184i StGB ist eine Überschreitung dieser Grenze bei Ersttätern relativ unwahrscheinlich, so dass die falsche Sicherheit beim Beschuldigten aufkommen könnte, dass selbst im Fall einer Verurteilung das polizeiliche Führungszeugnis „blank“ bliebe. Richtig ist jedoch, dass gemäß § 32 Abs. 5 BZRG auch Verurteilungen wegen § 184i StGB, die unter der 91 Tagessatz-Grenze bleiben, ins sog. erweiterte Führungszeugnis eingetragen werden würden. Gemäß § 30a BZRG wird das erweiterte Führungszeugnis u. a. zu Vorlage bei Behörden oder im Fall einer beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit, die Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung minderjähriger beinhaltet.

Insofern ist festzuhalten, dass auch der Vorwurf der sexuellen Belästigung gemäß § 184i StGB eine ernsthafte und seriöse Verteidigung erfordert, um weitere nachteilige Auswirkungen für den eigenen Lebenslauf zu vermeiden. Für die Verteidigung gegen den Vorwurf der sexuellen Belästigung bieten sich aber, je nach Fall, viele verschiedene Verteidigungsoptionen, um das Verfahren ohne Verurteilung zu beenden. Wir sind auf Verteidigung in Sexualstrafverfahren spezialisiert. Sie können jederzeit unverbindlich mit uns Kontakt aufnehmen.