Oberlandesgericht Hamm: Aufhebung eines Urteils wegen Vergewaltigung in der Revisionsinstanz

Erfolgreiche Revision im Sexualstrafrecht: Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung das Berufungsurteil des Landgerichts Essen auf unsere Verfahrensrüge hin aufgehoben.

Gegen unseren Mandanten war Anklage wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung, der Körperverletzung und wegen Bedrohung erhoben worden. Er soll im Jahr 2017 seine Ex-Freundin nach einer Party in der Wohnung eines Freundes vergewaltigt haben, nachdem es zuvor zu einvernehmlichen sexuellen Handlungen gekommen sein soll. Nachdem unser Mandant in der 1. Instanz zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden war (nicht von uns vertreten) legte er gegen dieses Urteil Berufung ein. In der Berufungsinstanz – nun von uns vertreten – verteidigte er sich schweigend. Die Verteidigung stellte eine Vielzahl von Beweisanträgen; unter anderem den Antrag, das Hauptverhandlungsprotokoll der 1. Instanz zu verlesen, mit dem Ziel, die mangelnde Konstanz in den Angaben der Nebenklägerin, der Ex-Freundin, aufzuzeigen. Die Richterin der 1. Instanz war bereits als Verhörsperson vernommen worden. Das Landgericht Essen lehnte den Antrag mit der Begründung, er verstoße gegen Unmittelbarkeitsgrundsatz ab und verurteilte unseren Mandanten zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren.

Erfolgreiche Verfahrensrüge

Gegen dieses Urteil legten wir Revision ein und begründeten diese mit der Verfahrensrüge und legten dar, dass der Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt worden war, da der Unmittelbarkeitsgrundsatz, wonach ein grundsätzlicher Vorrang des Personalbeweises vor dem Urkundenbeweis besteht, nur die Ersetzung und nicht die Ergänzung der Vernehmung durch den Urkundenbeweis gebietet. Das Oberlandesgericht Hamm hat unserer Argumentation voll zugestimmt und auf unsere erfolgreiche Revision das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Essen zurückverwiesen.

Dabei hat das Oberlandesgericht in seinem Beschluss in aller Deutlichkeit aufgezeigt, dass die von uns beantragte Verlesung der Vernehmungsniederschriften (hier: Hauptverhandlungsprotokoll) nicht durch die gerichtlich angeordnete Einvernahme der Vernehmungspersonen (hier: Richterin der 1. Instanz) ausgetauscht werden kann.

Daraus ergibt sich, dass in Fällen, in denen es auf die Würdigung der Aussagekonstanz einer Auskunftsperson ankommt, was regelmäßig in Fällen des Sexualstrafrechts der Fall ist, grundsätzlich die ergänzende Verlesung der Vernehmungsniederschriften im Wege des Urkundenbeweis beantragt werden sollte, wenn bei einem Abgleich der Aussage eines belastenden Zeugen in der Hauptverhandlung mit den Inhalten der Vernehmungsprotokolle Inkonstanzen aufgefallen sind, was durch uns immer so gehanhabt wird.

Dieser Fall zeigt anschaulich, dass es einerseits unabdingbar ist, sich beim Vorwurf einer Sexualstraftat von einem spezialisierten Verteidiger vertreten zu lassen. Darüber hinaus zeigt sich auch, dass in der Tatsacheninstanz die Grundlage für eine erfolgreiche Revision durch Aktivitäten in der Hauptverhandlung geschaffen wird.

Die erfolgreiche Revision war ein wichtiger Etappensieg. Denn in der neu durchgeführten Hauptverhandlung vor dem Landgericht Essen folgte die Kammer unserem Antrag und sprach unseren Mandanten vom Vorwurf der Vergewaltigung frei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die Nebenklägerin Revision eingelegt hat.